«Gott gegen Geld»
Zur Zukunft des Politischen I
Vortragsreihe am Bochumer Schauspielhaus in der Spielzeit 2002/2003 mit Beiträgen von Dirk Baecker, Friedrich Balke, Al Goergen, Eric Alexander Hoffmann, Hans-Thies Lehmann, Nikolaus Müller-Schöll und Manfred Schneider. In Zusammenarbeit mit der Ruhr Universität Bochum, Leitung Ulrike Hass und Thomas Oberender
Die Publikation der Vorträge erschien im Alexander Verlag Berlin
«Gott gegen Geld»
Herausgegeben von Thomas Oberender und Ulrike HassThomas Oberender: Gott gegen Geld. Vorwort.
Dirk Baecker: Der Krieg als Ritual der Gesellschaft
I Der Ernstfall: Soziologische Forschung und der Krieg; Forschung als Komplize des Krieges; Ambivalenz des Krieges; II Vergesellschaftung durch Konflikt: Zwang zur Stellungnahme; Theorie des Konflikts – seine Lebhaftigkeit und Integrationswirkung; Krieg als Parasit in den Gastsystemen der Familie, Organisation, Gesellschaft; Georg Simmel: Bei aller Feindschaft hat man etwas gemeinsam – Feindseligkeit, Furcht und Angst; Selbstbegrenzung und Grenzensprengung; III Reale und rituelle Gewalt: Clifford Geertz, zweierlei Formen der Gewalt; Hahnenkampf bannt die Gewalt durch die Darstellung der Gewalt; Warten auf Gewalt – unser ambivalenter Umgang mit Gewalt; wie der Kneipenbesucher; IV Ein Bürgerkrieg: die Auseinandersetzung der Weltgesellschaft mit sich selbst; Usama Bin Laden – Ressentiments gegen die Gesellschaft in der Gesellschaft; Terrorakte sind die Gewalt, um deren Vermeidung es den Terroristen geht; Soziologische Versuche, die rituelle von der realen Gewalt zu lösen; V Die Ordnung der Weltgesellschaft: Niklas Luhmanns Warnung; Die Pflicht des Zentrums, die Peripherie zu ordnen; Krieg ist die Korrektur der Isolation
Friedrich Balke: Nietzsche und die Topographie des neuesten Terrors.
Theorie des Ressentiments; Haß auf die, die zu hassen nicht nötig haben; Liberalität als Zeichen souveräner Macht; die Stärke der Schwachen im low intensity conflict; Terrorismus als Politik der Affekte; die Erfindsamkeit der Hasser; Twin Towers – Adresse der Unerreichbarkeit; in effigie – die Rache der Ohnmächtigen; Terrorismus zielt auf irreversible Denormalisierung; Islam zwischen Poesie und Prophetie; der Bilderrausch der Schwachen, re-entry: der Wiedereintritt einer «nicht fixierte Mythologie» in den Orient; re-sentire – das wiederholte Fühlen der eigenen Ohnmacht; terroristischer Krieg ist ein Krieg nach der Niederlage; Bedürfnis nach sich selbst - die Drogenhaftigkeit der Terrorkriege; Der Sturm der Globalisierung weht vom Paradiese her; euphorisierende Kolonialisierungsschübe damals und heute – Frohgefühle und Ressentiment; Kapitalismus und «schöpferische Zerstörung» – Entpolitisierung und Neutralisierung; Franz Kafka: Schakale und Araber; Europäer als Beobachter; Wie bekämpft der Vornehme seine Feinde?; Bomben und Dollars;
Al Goergen: Das Politische im Zeitalter des Imperiums
Einübung durch Hollywood; ein metaphysischer Krieg; Verhältnisse hinter unserem Rücken; Islamischer Fundamentalismus als Resultat zweier Wirkungsketten imperialer Strategien; Entpolitisierung bewirkt politisierte Religion; Religion als das Andere der Politik; Killing Hope; Entgrenzung und Entpolitisierung als Merkmal imperialer Strukturen; Beispiel Rom: Von der Republik zum Imperium; Sog der immanenten Strukturen des ökonomisch-technologischen Apparates; Stufen der Entpolitisierung; Politik als Differenzbegriff; Wissenschaftsdogmatik – das Religiöse heute; Plädoyer für Politie
Eric Alexander Hoffmann: Die Weltgesellschaft hat kein Herz oder: Die Barbaren sind wir
Fahrt im Dschagannath-Wagen; Ausnahmezustand als Normalität; Neubetrachtung des Begriffs vom Barbaren - Korrelation sozialer Systeme und ihrer semantischen Archive; Drei Typen der Systemdifferenzierung; Übergangsgesellschaft – von hierarchischer Schichtung zu funktionaler Differenzierung; Semantik als Mülltonne; Umorganisation bei laufendem Betrieb; Schiller interpretiert die Französische Revolution; Wer ist für Schiller der Wilde und wer der Barbar; Hellenen und Barbaren; Der Blick richtet sich nicht mehr von unten nach oben, sondern nach innen; Schillers skeptische Hoffnung: Kunst hilft heilen; Atopia; Weltgesellschaft ohne Raum; Protestbewegungen sind Antikörper; Terrorismus als asoziale Protestbewegung; Inklusion und Exklusion als Leitsemantik der Zukunft. Selbstzerstörung oder Selbstheilung?
Hans-Thies Lehmann: Heiner Müllers »Zement» – ein Spiel von der Feindschaft
Evakuierung des Politischen: Feind und Feindschaft als Index des Politischen; liberale world order als Verhüllung der Feindschaft; Gesellschaftlichkeit außerhalb der »politischen Vernunft»; Entdramatisierung aller gesellschaftlichen und ideologischen Konflikte; Verlust der politischen Dimension; die »diskursive Leerstelle des Feinds» als Symptom; »Evakuierung des Politischen»; Akteure auf der Weltbühne: das anonyme Kapital und fanatisierte Gruppen - das Gestaltloswerden der Protagonisten; Baudrillard: Die suizidäre Herausforderung des Systems; Feindschaft: Carl Schmidt: Der Begriff des Politischen; Entpolitisierung als Gefahr; Stärkung des souveränen Staates; Tradition des politischen Theaters; Phänomenologie der Feindschaft: Zement: Feindschaftsebenen; Realität ist nur beschreibbar als Konflikt; Schweigen: Jeder Aufstand gegen das Bestehende ist ein Aufstand der Unterlegenen; Feindschaft als Möglichkeit, auf den »eigenen» Grund zu gelangen; problematisierte Selbstkonstitution; Schweigen als Ab-Grund;
Nikolaus Müller-Schöll: Die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Überlegungen zur Politik (in) der Darstellung
Der 11. September – kein Ereignis: Unhaltbarkeit der Rede vom «Ereignis» 11. September; die fehlende Globalisierung des Rechts, Problematik der Vergleiche mit Faschismus und Kommunismus; Goat Island: Auflösung von Gemeinplätzen; Beschreibung des Ereignisses in der rhetorischen Figur des Hysteron Proteron; Wirtschaftskrieg und Kalter Krieg als Muster; 2.) Die Politische Rhetorik: Analyse und dekonstruktive Kritik der politischen Praxis; Bin Laden und Bush als Teile einer binären symbolischen Ordnung; Genealogie der literarischen Figur des »großen Verbrechers»; »Das Testament des Dr. Mabuse»; anonyme Bedrohungen erhalten eine fixierbare Gestalt: Bin Ladens Figur als Teil einer umfassenden Personalisierung der Politik; das Phantasma als Bild und Wiedergänger; Walter Benjamin: Der »Große Verbrecher» als Figur einer Gewalt, die die Setzung des Rechts und das Gewaltmonopol des Staates bedroht; Rechtssetzende Gewalt ist vom terroristischen Akt nicht kategorisch zu unterscheiden; 3.) Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln: Carl Schmitt – Begründung des Staates im auf der Freund/Feind-Opposition aufgebauten Politischen; was die Identitätslogik ausgrenzt; »Krieg gegen das Böse» - der zur Regel erhobene Ausnahmezustand; Notwendigkeit einer Neubegründung von Souveränität; Brechts und Benjamins Begriff des Dividuums; ereignishafte Neuerfindung von Gemeinwesen und Theater.
Manfred Schneider: Gestörte Selbstsurrealisierung – der Westen und das Attentat
Haben Attentäter haben die falschen Bücher gelesen? Vom Ekel am Fiktivwerden der Welt durch Bücher, Bilder, Schriften, Medien; Das Königsattentat als Duell zweier Bibliotheken; Theaterverdacht, Fiktionsverdacht, Maskenverdacht als Attentatsmotive; Hobbes fiktive Personen; Jean Baudrillards Widerruf; Was ist ein Turm?; Firmitas und das Erhabene; Twin Towers als hyperkirchliche Zeichen; turres corporis dollari - ein anderer Name der Verständnisutopie; Der Dollar als pfingstliche Sprache; Der Wille zum Opfer als Anfang des christlichen Triumphes; Legenda aurea – Beispiele aus der Religion der lachenden Märtyrer; Die Wette ist die Probe auf den Glauben; Der Attentäter als heroisches Original; Der Westen muß sich ins Unwirkliche emporsurrealisieren, um sich selbst in der Macht des Glaubens zu halten; Die Lektion der Unzerstörbarkeit, der Unvertilgbarkeit, der Unaufklärbarkeit